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09.03.2023

Keine Kündigung bei Mängeln vor Abnahme gem. § 4 Nr. 7 VOB/B (2002)

Der BGH hat mit Urteil vom 19.01.2023, Az. VII ZR 34/20 bestätigt, was bereits erwartet wurde: Die Kündigungsregelung des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002), die textgleich der aktuellen VOB/B (2016) entspricht, hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.

Der Leitsatz:

„Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.“

Was war passiert ?

Die Beklagte hatte die Klägerin im Jahr 2004 als Nachunternehmerin mit Straßen- und Tiefbauarbeiten beauftragt. Im Rahmen des Vertragsschlusses hatten die Parteien die VOB/B in der Fassung 2002 einbezogen. Ebenfalls zwischen den Parteien vereinbarte Besondere Vertragsbedingungen enthielten darüber hinaus einzelne Regelungen, die von dem Regelungsgehalt der VOB/B (2002) abwichen.

Während der Bauausführung forderte die Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Mängelbeseitigung auf. Nach Ablauf der Frist erklärte die Beklagte die Kündigung des Bauvertrags.

Mit der Klage begehrte die Klägerin u.a. die Zahlung von Restwerklohn. Die Beklagte begehrte widerklagend u.a. die Erstattung von Ersatzvornahmekosten. Das Ausgangsgericht gab lediglich der Klage statt.

Im Rahmen der Berufung entschied das Berufungsgericht (OLG Naumburg), dass die Beklagte den Bauvertrag wirksam habe kündigen können, wonach die von der Beklagten begehrten Ansprüche dem Grunde nach bestehen. Die von der Klägerin eingewandte Unwirksamkeit von § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) wegen Verstoßes gegen AGB-Recht stünde der Kündigung dabei nicht entgegen, da die Klausel mangels substanzieller Abweichung des streitgegenständlichen Vertrags von der VOB/B keiner Inhaltskontrolle unterliege.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH kippte die Entscheidung des OLG Naumburg:

Das Berufungsgericht habe bereits die Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB rechtsfehlerhaft abgelehnt, da es verkannt habe, dass eine VOB/B-Klausel auch dann einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sei, wenn lediglich geringfügig inhaltliche Abweichungen von der VOB/B bestehen (Rn. 16, 18).

Die Beklagte habe darüber hinaus ihre Kündigung auch nicht auf § 4 Nr. 7 S. 3, § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) stützen können, da der Auftragnehmer durch die Regelung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt werde. Der BGH begründet die unangemessene Benachteiligung damit, dass diese Regelung als Anwendungsfall des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund mit dem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken der Kündigung aus wichtigem Grund nicht zu vereinbaren sei (Rn. 26). Denn unter Berücksichtigung der kundenfeindlichsten Auslegung könne auf diese Weise bereits bei geringfügigsten Mängeln – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs (Rn. 42) – und damit losgelöst vom eigentlichen Gewicht der Vertragswidrigkeit die Kündigung aus wichtigem Grund erklärt werden (Rn. 30, 31). Dies gelte selbst dann, wenn der Auftraggeber bereits kein eigenes anerkennenswertes Interesse an der fristgerechten Beseitigung der Mängel bzw. der vorzeitigen Vertragsbeendigung zeige. Diese Möglichkeit stehe jedoch im Widerspruch zu § 648a BGB bzw. den vormals dem Rechtsgedanken des § 314 BGB entsprechenden richterrechtlich anerkannten Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund, wonach der Auftragnehmer durch sein Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage derart erschüttern muss, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne (Rn. 39, 40). Vielmehr bedürfe es unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers neben einer mangelhaften Werkleistung in der Ausführungsphase weiterer Umstände, die eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen (Rn. 41). Ob solche Umstände vorlagen, habe der BGH jedoch nicht prüfen können, weswegen die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde.

Die Konsequenzen?

Wenn die VOB/B auftraggeberseitig in den Vertrag einbezogen wird, das Vertragswerk jedoch von der VOB/B abweicht, gilt die VOB/B nicht als Ganzes einbezogen. In diesem Fall unterliegt sie der Inhaltskontrolle. Dies gilt dergestalt auch, wenn die VOB/B gegenüber Verbrauchern vereinbart wird, da in diesem Fall die Bereichsausnahme der VOB/B gemäß § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht gilt.

Mit dem aktuellen Urteil stellt der BGH klar, dass der Auftraggeber in diesem Fall nicht mehr allein wegen unwesentlicher Mängel vor Abnahme das Vertragsverhältnis außerordentlich kündigen kann, wenn eine Beseitigung dieser Mängel nicht innerhalb der Frist erfolgt ist.

Vielmehr bedarf es eines wichtigen Grundes, der die „bestehende vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann“ (vgl. Rn 40).

Dies entspricht vom Grundsatz her auch der seit dem 01.01.2018 geltenden gesetzlichen Regelung unter § 648a Abs. 1 S. 2 BGB, welche bei einer beabsichtigten Kündigung von Verträgen wegen Vertragswidrigkeiten / Mängeln vor Abnahme nunmehr aus Gründen der Risikominimierung zusätzlich neben der o.g. Regelung der VOB/B berücksichtigt werden sollte. Gleichsam sollten die Voraussetzungen für eine Kündigung vor Abnahme in den Fällen, in denen die VOB/B nicht als Ganzes in den Vertrag einbezogen wurde, genau zwischen den Parteien vereinbart werden, um rechtliche Risiken auf diesem Feld bis zur Neufassung der VOB/B zu minimieren.

Sollten Sie weitere Fragen haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.

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