Gewerbemietrecht aktuell
Rechtliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gewerbliche Mietverhältnisse – Gemeinsam. Up. To. Date.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wird im gewerblichen Mietrecht juristisch kontrovers diskutiert, von wem und auf welcher rechtlichen Grundlage die Einschränkungen durch Schließungsanordnungen der staatlichen Stellen zu tragen sind; konkret: Wer trägt hier das wirtschaftliche Risiko?
Juristisch fraglich war und ist insbesondere, ob die Schließungsanordnungen einen Mietmangel i. S. v. § 536 BGB darstellen und der Mieter daher ein Recht zur Minderung der Miete hat; auf ein Verschulden kommt es bei einem solchen Minderungsrecht nicht an. Zudem wird diskutiert, ob hier ein Fall der sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage i. S. v. § 313 BGB vorliegt, dessen Rechtsfolge die Stundung und/oder Reduzierung der Miete sein kann. Die Störung der Geschäftsgrundlage ist eine flexible dogmatische Rechtsfigur, die es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, Verträge und Pflichten daraus anzupassen, wenn Umstände sich nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert haben, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag einer Partei nicht zugemutet werden kann.
Erste Rechtsprechung hierzu brachte keine wirkliche Klarheit für Vermieter und Mieter, auch die Meinungen in der juristischen Literatur gingen auseinander: U. a. Entscheidungen des LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20, des LG Frankfurt am Main, 2-15 O 23/20 und des LG München II, Endurteil vom 06.10.2020 – 13 O 2044/20, lehnten sowohl das Vorliegen eines Sachmangels als auch eine Anpassung des Vertrages auf den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage ab. Begründet wurde dies u. a. damit, dass sich mit der Schließung das sog. „Betriebsrisiko“ verwirklicht, dass grundsätzlich der Mieter zu tragen habe. Diese Rechtsprechung entsprach (wohl) den Rechtsauffassungen „vor Corona“: Der Mieter muss dafür einstehen, wenn sich ein Risiko verwirklicht, das nicht mit dem Mietgegenstand an sich, sondern ausschließlich mit dem Betrieb zusammenhängt. Dies sah das LG München I mit Entscheidung vom 22.09.2020, 3 O 4495/20 anders und bejahte ausdrücklich einen Mangel („… stellen auch die Beschränkungen in der Corona-Pandemie für die Vermietung eines Geschäftsraumes zum Betrieb eines Einzelhandels einen Mangel dar.“) Dabei ist jedoch zu beachten, dass die unterschiedliche Reichweite des „Mietzwecks“ in den zu Grunde liegenden Mietverträgen eine erhebliche Rolle für die rechtliche Bewertung spielen. In der Entscheidung des LG München I war es dem Mieter vertraglich untersagt, etwas anderes als ein Möbelgeschäft in den Räumlichkeiten zu betreiben.
In der juristischen Fachliteratur – die zumindest für die Entscheidungsfindung der Gerichte von erheblicher Relevanz ist – zeichnete sich auch kein klares Bild ab. Für Vermieter und Mieter dürften diese Diskussionen und die o. g. Entscheidungen aber weiterhin bedeuten: So weit, so unklar.
Wohl auch angesichts dieser rechtlichen Unklarheit – so liest sich jedenfalls die Gesetzesbegründung (BT-Ds. 19/25322, ab S. 19) hierzu - erließ der Gesetzgeber eine neuen § 7 in Art. 240 EGBGB („Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“), der seit dem 01.01.2021 in Kraft getreten ist:
„Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“
Die simple Bewertung „Recht auf Anpassung des Mietvertrages “ ergibt sich hieraus jedoch nicht, vielmehr handelt es sich hier um eine gesetzliche Vermutungsregelung. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen müssen im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt sein, die sorgfältig im Einzelfall zu prüfen und abzuwägen sind. Dies tat – soweit erkennbar als erstes Gericht - das LG München I mit Urteil vom 25.01.2021 – 31 O 7743/20 und lehnte in dem Fall (Hotelimmobilie) eine Anpassung der Miete vollumfänglich ab. Es zeigt sich also: Der Einzelfall ist entscheidend!
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Autor: Max Wehmeier, Rechtsanwalt