Die Bundesregierung hat am 27.03.2020 im Rahmen eines wahren Marathons Gesetze und Verordnungen verabschiedet, die das wirtschaftliche Überleben von Unternehmen in Zeiten der Corona-Krise sichern sollen. Dazu gehören u.a. konkretisierende Ausnahmevorschriften, die im Zusammenhang mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld (KUG) gelten sollen.
Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Aspekte für Sie zusammen:
Insbesondere Betriebe, die aufgrund der behördlichen Anordnungen zur Schließung ihrer Geschäfte gezwungen gewesen sind, müssen die laufenden Arbeitsverträge trotzdem erfüllen. Auch wenn die Anordnung es ihnen unmöglich macht, den Arbeitsplatz konkret anzubieten, müssen sie Arbeitslohn bezahlen. Daran ändern auch die gesetzgeberischen Beschlüsse vom 27.03.2020 nichts. Soweit dadurch Zahlungsmoratorien o.Ä. gesetzlich gewährt werden, gelten diese Vorschriften ausdrücklich nicht für Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.
Daher sind die Regelungen zur Kurzarbeit (KUG) brandaktuell. Der Gesetzgeber hat die Bezugsvoraussetzungen für das Jahr 2020 gelockert. KUG kann daher in wesentlich größerem Umfang an Arbeitgeber ausgezahlt werden als zuvor.
Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Wer erhält KUG? Wer muss es beantragen?
Berechtigt zum Bezug von KUG ist der einzelne Arbeitnehmer. Er kann den Antrag aber nicht stellen. Das KUG muss also der Arbeitgeber beantragen. Er ist schließlich weiterhin aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet. Er muss also weiterhin Entgelt abrechnen, ebenso wie das KUG.
2. Welche Fristen sind zu beachten?
Das KUG kann nur dann gewährt werden, wenn der Arbeitgeber spätestens am letzten eines Monats, für den Kurzarbeitergeld gezahlt werden soll, dies entsprechend bei der Bundesagentur für Arbeit anzeigt. Ohne Anzeige kann auch ein noch so sorgfältig ausgefüllter Antrag nicht zur Zahlung führen.
Wird tatsächlich Kurzarbeit umgesetzt, so ist der Antrag auf Zahlung von KUG vom Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den das KUG beantragt wird.
3. KUG wird nur bei „unvermeidbarem“ Arbeitsausfall gezahlt. Was ist damit gemeint?
Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn es gar nicht anders geht. Kann also durch Abbau von Überstundenkonten oder Urlaubserteilung der vorübergehende Arbeitsausfall überbrückt werden, zahlt die Agentur für Arbeit nicht.
4. Muss ich allen Mitarbeitern gleichzeitig und zu Beginn meiner behördlichen Betriebsschließung Urlaub erteilen?
Grundsätzlich muss Urlaub eingesetzt werden, bevor Leistungen der Arbeitslosenversicherung beansprucht werden. Allerdings müssen Arbeitgeber die Wünsche des Arbeitnehmers bei der Urlaubserteilung berücksichtigen. Einseitig kann er nicht festgelegt werden. Es gibt Ausnahmen: Soweit Urlaubsanträge schon genehmigt wurden, müssen beide Seiten sich daranhalten. Soweit Alturlaub vorhanden ist, muss auch der grundsätzlich eingesetzt werden, wenn er nicht verfallen ist.
a. Wann verfällt Urlaub?
Im Regelfall verfällt der gesetzliche Urlaub (bei einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage im Jahr) am 31.12. eines Jahres. Etwas Anderes gilt nur, wenn der Urlaub übertragen wird, dann verfällt er mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres. Allerdings muss der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer rechtzeitig zuvor daran erinnern, dass noch Urlaubstage nicht genommen sind. Tut er das nicht, verfallen die Urlaubstage nicht, sondern bleiben bestehen. So kann sich ein unerfreulich großes Maß an Urlaubstagen zusammenballen.
b. Wie gehe ich am besten vor?
Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr sollten in jedem Fall erteilt werden. Auch Arbeitnehmer sind in diesen besonderen Zeiten verpflichtet, das Ihre zu tun, um die Belastungen der Krise zu verringern, soweit ihnen das zuzumuten ist. Außerdem wird die Agentur für Arbeit genau prüfen und nur die Zahlungen übernehmen, die tatsächlich zwingend erforderlich waren, um den Arbeitsausfall zu kompensieren. Konnte Urlaub erteilt werden, springt die Arbeitsagentur also nicht ein.
Arbeitgeber sollten also auffordern, die Urlaubsplanung Planung zu vollenden. Dabei sind wiederum betriebliche Gründe zu berücksichtigen. Es kann also nicht sein, dass alle Beschäftigten ihre Urlaubsansprüche bis auf den Herbst ansparen, wenn vermutlich das Geschäft wieder anläuft. In der Regel ist es zweckmäßig, zumindest 20% des Urlaubs zur Vermeidung von KUG einzusetzen.
Dies hat auch für Ihre Arbeitnehmer einen Vorteil:
Der Urlaub ist regulär zu vergüten.
Die Urlaubserteilung müssen Sie gegenüber der Agentur für Arbeit mitteilen, wenn Sie konkret KUG beantragen. Denn für Urlaubstage wird KUG nicht gewährt.
5. Ändert sich die Anzahl der Urlaubstage, wenn Kurzarbeit eingeführt wird?
In der Tat kann Kurzarbeit den Umfang des Urlaubsanspruchs beeinflussen. Mittlerweile hat die Rechtsprechung festgelegt, dass der volle Urlaubsanspruch zwar mit Beginn des Kalenderjahres in vollem Umfang entsteht, soweit das Arbeitsverhältnis dann schon länger als 6 Monate besteht. Er muss trotzdem in jedem Monat anteilig „erarbeitet“ werden. Bei Kurzarbeit „Null“ über einen längeren Zeitraum reduziert sich der Urlaubsanspruch damit anteilig.
6. Was ist, wenn ich meinem Arbeitnehmer mehr als gesetzlichen Urlaub versprochen habe?
Soweit im Arbeitsvertrag deutlich wird, dass und wie gesetzlicher und übergesetzlicher Urlaub unterschiedlich behandelt werden sollen, kann der übergesetzliche Urlaub anders behandelt und also auch erteilt werden.
Ist diese Unterscheidung nicht eindeutig, sollten Arbeitgeber insgesamt zur Urlaubsplanung aufrufen und prüfen, ob diese möglichen betrieblichen Belangen zu späteren Zeitpunkten entgegensteht.
7. Wir führen Arbeitszeitkonten. Die Mitarbeiter haben hier schon jahrelang ein „Guthabenpolster“ – muss es vollständig abgebaut werden?
Grundsätzlich ist die Verringerung der Arbeitszeit und die Beantragung von KUG vermeidbar, wenn Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen nicht arbeiten müssen. Gibt es also Zeitguthaben, sind diese grundsätzlich zuerst abzubauen. Erst dann kann KUG gewährt werden. Allerdings kommt es darauf an, zu welchem Zweck die Zeitkonten geführt werden und wie lange die Guthaben darauf schon bestehen.
8. Was sind geschützte Arbeitszeitguthaben?
Ein Arbeitszeitguthaben muss nicht aufgelöst werden, soweit es vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetter-Zeit bestimmt ist und das Guthaben nicht mehr als 50 Stunden beträgt. Die Zeiten können auch dann stehen bleiben, wenn vertraglich vereinbart ist, dass es für gesetzlich geregelte vollständige oder teilweise Freistellungen oder Verringerungen der Arbeitszeit genutzt werden soll. Die vertragliche Festlegung muss das entsprechend wiedergeben (§ 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB III).
Soll das Zeitkonto eingesetzt werden, um saisonbedingte Arbeitszeitschwankungen auszugleichen und weist es nicht mehr als 150 Stunden aus, ist es ebenfalls geschützt. Besteht das Guthaben schon länger als 1 Jahr unverändert, muss es ebenfalls nicht eingesetzt werden. Maximal ist ein Guthaben in Höhe von 10% der regelmäßigen Jahresarbeitszeit abzubauen.
In keinem Fall muss trotz vertraglicher vereinbarter Möglichkeit ein Konto ins Minus „gefahren werden“.
9. In meinem Lager steht noch Ware aus der vorangegangenen Saison. Erst im Herbst erwarte ich neue Lieferungen. Muss ich trotzdem das Lager aufräumen, bevor ich KUG beantragen kann?
Stimmt. Arbeitgeber müssen wirtschaftlich zumutbare Gegenmaßnahmen treffen, bevor sie KUG beantragen. Ausdrücklich geht die Bundesagentur für Arbeit davon aus, dass Arbeiten auf Lager, Aufräum- oder Instandsetzungsarbeiten hierzu zählen.
10. Wieviel Geld kann ich für meine Mitarbeiter als KUG erhalten?
Die Mitarbeiter erhalten grundsätzlich 60% des ausgefallenen Nettolohnes. Beschäftigte, die mindestens ein Kind haben, bekommen 67% des ausgefallenen Nettolohns. Ist die Kurzarbeit also auf „Null“ vereinbart, beschränkt sich der Auszahlungsanspruch auf 60% bzw. 67% des letzten Nettolohnes.
Die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen werden auf Antrag voll für die Zeit des Arbeitsausfalls von der Arbeitsagentur ersetzt.
11. Ein Arbeitnehmer hatte eigentlich den Osterurlaub geplant. Wegen der Corona-bedingten Einschränkungen will er den Urlaub jetzt „zurückgeben“. Ich habe Kurzarbeit bereits angezeigt.
Der Urlaub ist schon erteilt. Die Beteiligten des Arbeitsvertrages haben sich offensichtlich auf einen konkreten Zeitraum geeinigt. Wird hiervon nur wegen der Kurzarbeit und damit zu Lasten der Agentur für Arbeit abgewichen, verneint die Agentur für Arbeit die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls. Der bereits wirksam festgelegte Urlaub zeigt nämlich, dass vorrangige Urlaubswünsche des Arbeitnehmers vorliegen.
Es sollte unbedingt ein Urlaubsplan gemacht werden, bevor Kurzarbeit beantragt wird. Weiterhin sollten gewährte Urlaubstage ausdrücklich vom Antrag auf KUG ausgenommen werden. Entsprechende Klauseln im Vertrag sollten dies ebenfalls vorsehen.
Zum Schluss ein Hinweis: Die rechtlichen Fallgestaltungen sind so vielfältig, dass dieser Newsletter nicht alle Fragen umfassend betrachten kann.
Gerne geben wir mehr Antworten.
Martin Breinlich, Katharina Neuroth, LL.M., Martin Richter
Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht
Moritz Simon
Rechtsanwalt